symposion

Krieg und Frieden - Bögenausmalung

in der Kulturkirche St. Stephani, Stephanikirchhof, 28195 Bremen

Fr 10.10.2014 - Fr 06.02.2015


Im Gedächtnisjahr der »Urkatastrophe« des 20. Jahrhunderts und deren Folge-Weltkrieg II wurde das Langhaus von St. Stephani zur öffentlichen Arbeitsgalerie eines Symposions von acht Bremer KünstlerInnen.
Sie stellen nun auf den gotischen Blendbögen der Kirchenarchitektur malerisch und installativ das selbstgemachte menschliche »Schicksal« von Krieg und Frieden in künstlerischen Beschreibungen und Kommentaren dar.

Quelle: www.kulturkirche-bremen.de

Himmel (Wandfarbe und Papiertücher / Hörstation)

Der Brieftext eines Soldaten aus dem ersten Weltkrieg ist Impulsgeber für das Wandbild und Teil der künstlerischen Arbeit himmel. Über einen Kopfhörer, der neben dem Bild hängt, hört der Betrachter meine Stimme, die den Text des Soldaten vorträgt. 

„Hier im Wald singen und zwitschern die Vögel und morgens liegt auf dem See dicker weißer Nebel. Es ist herrlich, so etwas zu sehen. Die reine Sommerfrische…Kommt ein Russe, schießt unsere Artillerie, kommt einer von uns, schießt der Russe. Gerade fliegt einer von uns und einer von denen, das ist ein Gesumm und Gebrumm von Schrapnells, es sieht schön aus. Dazu ein herrliches Wetter, der Himmel ist ganz blau und wenn die Granaten platzen, entstehen kleine weiße Wölkchen.“

 

 

 

Schütze Karl Falkenheim an die Ehefrau, geschrieben am 29.06.1916

 


Detailausschnitte aus dem Wandbild


Der Entstehungsprozess

Oben: Ich modelliere mit den Händen Wolken aus Papiertüchern und Wandfarbe. „Wolken“, Papierfetzen - fallend aus der Bogenspitze und weiß schwebend, losgelöst im nächtlichen Blau des Umraumes, geisterhaft.

 

Mitte: Die Wolkenform im mittleren Teil des Bildes wandelt sich zu einer anderen Gestalt - ein Tierschädel? Wie beim In- die- Wolken- schauen: Sie löst sich schon wieder auf, zerfällt.

 

Unten: Ich lasse entgleiten: Die Papierrolle wickelt sich ab, fällt zu Boden und hängt in einer Bahn von der Wand. Ich sehe einen Arm, Beine. Mittig eine zentrale Figur. Vage hängt sie im Bild, schon im Zerfall. Ich wickele noch mehr Papier ab: Verbände? Schleifen von Kränzen?

 

Schließlich nichts als Material, das aufgebraucht am Boden liegt.

Mit Ende der Ausstellung wurde die Arbeit wieder entfernt.

Betrachtung von Prof. Peter W. Schaefer, Kurator des Projektes Krieg und Frieden:

 

Für die Malerei ist der Himmel zuerst ein Bild, nämlich kompositorisch ein „Oben“. Auch ist der Himmel kein Ding, sondern Erscheinung von Farbe und Formen - wenn Wolken ins Spiel kommen. Die Deutung all dessen ist vielfältig und Phantasie freisetzend, wie immer diese Gebilde auch metereologisch gelesen werden müssen.

 

Jetzt kann Malerei beginnen. So beginnt die Malerin einen Kampf mit der Farbe, mit ihrem „Wie“. Da ist Materie, Schwerkraft und Erdanziehung. Die Farbe fällt, sie moduliert sich in Nuancen. So hat sie Freiheit von der Form. Erst in der weitesten Verselbstständigung kann sie zu einem „Was“ zurückkehren: Wir lesen jetzt Himmel.

 

Und aus dem Himmel mit seinem irrenden Wolkenlicht wird im Fall der Farbe, im Fluß der plastischen Verdichtung, durch die Überlagerungen der Materien und Materialien, die Hölle eines zerfurchten, Figur besetzten, sich auflösenden Schützengrabens. Mit dem Blick gen oben - und dem Blick auf ein Formchaos, das deutbar bleibt und sich den jeweiligen Projektionen des Betrachters und dessen Phantasie empfiehlt, um sich dann auf ein bestimmtes „Was“ seiner Gedächtnisassoziationen einzulassen. Zu der Grabenszenerie tritt ein gesprochener Brieftext, der von einer friedlichen Naturstimmung getragen wird. Die halluzinösen Illusionen eines Schützen im Stellungskrieg als Beruhigung für die Lieben daheim. So reiben sich Worttext und Bildtext in unauflöslichem Gegensatz und Widerspruch.

 

Quelle: Katalog zur Ausstellung Krieg und Frieden, 2014

 

Pressestimme

"Sabine Seemann hat einen großformatigen blau-weißen Bogen aus Wandfarbe und weißen Papierelementen geschaffen, dessen Interpretation ein Schreiben eines Frontsoldaten an die Heimat erleichtert. In diesem Schreiben, das über Kopfhörer vorgelesen wird, beschreibt der Soldat die Ästhetik von explodierenden Granaten und Bomben, die auf der Farbinstallation als luftig-weiße Aufsätze zu sehen sind."

 

Quelle: Weser Kurier, 04.10.2014