entstehungsbericht feld II

Entstehungsbericht „feld II“, Erdgeschoß:

 

 

Ich möchte das grüne, noch nicht reife Kornfeld malen, das ich vor ein paar Tagen gezeichnet habe.

 

Ich fange an mit einer gelben Grundierung: Verteile mit dem Spachtel über die gesamte Leinwandfläche die unverdünnte gelbe Ölfarbe und rühre dann ins Gelb ein Blau. Es entsteht ein Grünton, in den ich etwas Braun mische, damit er nicht zu grün aussieht. Er wird flaschengrün. Ich erinnere mich nochmal an den Grünton des  unreifen Kornfelds und betrachte dabei die Zeichnung: Es ist ein Farbton zwischen Blau und Braun, der in der Summe als Grün erscheint. Dann flirrt dieses Grün sehr weiß, wenn das volle Sonnenlicht darauf fällt, und das Grün intensiviert sich in den oberen Spitzen der einzelnen Halme zu einem vollen Gelbgrün. Ich schaue wieder auf die Leinwandfläche und schiebe mit dem Spachtel die grüne Farbmasse in engen, dichten Abständen zusammen. Ich möchte eine Struktur erzeugen, die mich an die Halme des Feldes erinnert. Das Gelb der Grundierung „blitzt“ zwischen der weggeschobenen Farbe durch. Ich weiß nicht weiter und höre auf.

 

Nach einer Woche ist die Farbe angetrocknet. Ich bin ich nicht zufrieden mit der grün strukturierten Fläche- es fehlt mir die Fülle, das Volumen. Wieder denke ich an die vielen Farben, die ich im Grün der Kornhalme sah und beginne neu:

ich tauche den Pinsel in die jetzt mit Leinöl verflüssigte Ölfarbe, einer breiigen Masse, und setze blaue Striche auf den grünen Untergrund. Die Striche verlängern sich, weil die verflüssigte Farbe nach unten läuft. Ich setze den Pinsel an - am Ansatz liegt die Farbe dick und plastisch auf, doch einen Teil der breiigen Farbmasse zieht die Schwerkraft nach unten. Ich schaue zu, wie die Farbe verläuft. Ich setze immer mehr Striche in weiteren Farben: Braun, Weiß, Beige, Gelb, Hellgrün und Dunkelgrün - sie zerfließen nach unten. Jeder Strich ist wie ein Halm.

 

Mit blauen Pinselstrichen schreite ich von der unteren linken Bildkante in die obere Bildhälfte zur Bildmitte. Wie eine Wasserstraße oder ein Weg teilen diese das Feld in eine linke und rechte Hälfte und führen das Auge nach hinten. Jetzt bin ich im oberen Drittel der Bildfläche und „wandere“ mit kleinen Strichen von der Bildmitte kommend erst nach rechts außen zur Bildkante, dann nach links der Bildmitte kommend erst nach rechts außen zur Bildkante, dann nach links außen außen zur Bildkante. Die kleinen farbigen Striche verdichten sich und bilden eine Art Horizontkante. Sie zeigen mir, wie weit das Feld sich dehnt, formen den kleinen Hügel, den ich beim Zeichnen noch sehen konnte. Und dahinter? Dahinter ist das Blau des Himmels - oder ist es darüber?

 

Über die kleinen Striche setze ich coelinblaue Klekse, die ins „Kornfeld“ tropfen. Zwischen die blauen Klekse setze ich weiße - wie Schäfchenwolken - denn es war ein heiterer, erster Sommertag. Sie formen sich „unbekümmert“, und ihr Weiß fließt arglos ins Feld. Mit dem Fließen verbindet sich der Himmel mit dem Feld, hebt die Grenze zwischen Himmel und Erde auf. Die Wolken fließen ins Korn - und das Korn fließt zu Boden. Das leuchtende Weiß der Wolken im oberen Bildteil wiederhole ich im Kornfeld, es spiegelt sich in den weißen Strichen des Feldes. Das Weiß erscheint mir wie das grelle Licht, das die Farben völlig auflöst und „Lichtschneisen“ ins Feld schneidet.

 

In die rechte Bildhälfte setze ich Gelb – wie Sonnenlicht zu dem schattigen Blau. Die Bewegung der Striche in dieser Hälfte ziehe ich etwas mehr nach rechts außen.  Das Feld soll sich bis zur äußeren Bildkante ausstrecken und die Richtung der Striche weist über sie hinaus. In der linken Bildhälfte „tanzen“ die Striche einerseits nach links oben auf den „Hügel“, andererseits drehen sich die Striche am Bildrand zur äußeren linken Bildkante hin. Fast kreisen sie - doch wie bei einem Magnet zieht es sie nach hinten zur Feldkante. Auch in den Himmel, in die linke obere Bildecke, setze ich eine große, kreisende Bewegung - so wie eine Art Auftakt für alle Bewegung der oberen Bildhälfte. Über die diagonal angelegte dunkelblaue „Wasserstraße“ oder „Schneise“ setze ich einen braunen nassen Kleks, der sehr senkrecht über die Diagonale hinüberläuft - das Blau erhält Erdung.

 

Ich schaue zur rechten Bildecke -  sie ist mir zu grün. Ich fange an, braune Striche über und zwischen die grünen Striche zu setzen - jetzt entsteht Verbindung zum langen braunen Strich über der Diagonalen. Ich setze weitere braune Striche in die rechte untere Bildecke. Sie wird zu dunkel.  Ich schabe die Farbe mit dem Spachtel wieder ab und setze wieder grüne Striche. Jetzt ist die Ecke wieder zu grün. Ich schabe die Farbe wieder ab und ziehe dunkelblaue Pinselstriche. Es sind zu viele geworden und nehme die Farbe mit dem Spachtel runter. Ich mache Pause und überlege.

Ich nehme den Pinsel und ziehe mit flüssiger Farbe neue Striche in die rechte untere Bildecke: blaue, braune, grüne und weiße. So stimmen die Farben. Nur habe ich die Fläche jetzt „zugemalt“ - es scheint kein Untergrund mehr durch wie in der linken unteren Bildhälfte. Doch die Farbstriche sind klatschnass, ich kann nicht weitermalen, die Farben würden jetzt nur noch abrutschen und sich gegenseitig verunreinigen. Die Farbe muss erst etwas antrocknen und ich höre auf.

 

Nach drei Tagen ist die Farbe zwar noch nicht ganz trocken, aber genug, dass ich weitermalen kann. Ich rühre einen hellen Beigeton und setze ihn zwischen die vielen blauen und grünen Striche. Er fließt zwischen ihnen durch und sofort öffnet sich Raum zwischen den „Halmen“. Ich gerate in ein Hin und Her zwischen hellen Farbstrichen und dunklen - lasse Beige über Grün fließen und wieder Grün über Beige. Beige fließt übers Braun und Braun fließt ins Grün. Jetzt ist das dunkle Blau verschwunden - ein bisschen brauche ich da aber und ziehe einen feuchten dunkelblauen Strich von der Unterkante des Bildes ein Stück nach oben ins helle Beige - jetzt hat das Beige wieder Halt gefunden und rutscht nicht aus dem Bild. Ich ziehe die braunen und flaschengrünen Striche länger- da muß ein anderer Rhythmus ins Bild, da ist Vorne und ich hocke direkt vor den Halmen im Feld. Die weißen Striche stimmen noch nicht. Zu viele, zu wenige, dann zu kleine. Schließlich lasse ich zwei lange weiße Striche über das helle, blasse Beigegrün von oben nach unten zur  Bildkante rutschen: der eine zeigt nach links, der andere nach rechts. Sie haben beim Runterrutschen etwas an der Strahlkraft ihres Weiß verloren und sind leicht „brüchig“ geworden - das pastellene Grün und Beige schimmert durch. An den oberen Spitzen der Striche setze ich nochmal etwas frisches Weiß darüber. Ich betrachte die rechte Bildhälfte: das Farbverhältnis ist jetzt ausgewogen.

 

Nach einer Woche schaue ich mir das Bild wieder an. Ich empfinde es als geschlossen. Es ist fertig.